Prüftechnik
Die Königsdisziplin der Echtheits- und Qualitätsbestimmungen
Bei den heutigen Echtheitsbestimmungen von Postwertzeichen bilden hochwertige Lupen und stark vergrößernde Mikroskope und sowie passende Vergleichsstücke und eine gut gepflegte Registratur nach wie vor die Basis der akribischen Arbeit. Die Betonung liegt allerdings auf „Basis“. Denn darüber hinaus wird hochmoderne Technik benötigt – speziell was die Königsdisziplin der Prüfung angeht – die Qualitätsbeurteilung von Stücken und die Überprüfung von Auf- und Überdrucken, die häufig aus wertloser Massenware Raritäten werden lassen. Zunächst heißt es aber, das Stück im Hinblick auf seine Plausibilität zu begutachten. Wurde ein echter Stempel korrekt verwendet? Passen die Marke, der Aufdruck und/oder der Stempel zusammen? Ist bei Briefen die Frankatur zugehörig, sind eventuell Marken ausgetauscht oder verbessert? Und generell bei hochwertigen Stücken: Ist die Marke oder der Beleg registriert oder gar literaturbekannt?
Mikroskopische Untersuchungen im Auflicht und Durchlicht
Bei einem Auflichtmikroskop fällt das Licht von oben auf die Marke. So lassen sich Stempel sowie Auf- und Überdrucke sehr gut in Bezug auf den Glanz, die Struktur und die Verteilung der Druckfarbe untersuchen. Ebenso werden im Idealfall Ein- und Durchprägungen im Papier oder auch in der Gummierung erkennbar. In Bezug auf ein echtes Vergleichsstück erscheinen falsche Stempel oder Auf- und Überdrucke bei entsprechender Vergrößerung wässriger oder trockener oder auch weniger konturiert. Die Farbe sieht matter oder glänzender aus und auch die Quetschränder sind unterschiedlich.
Das Durchlicht-Mikroskop durchleuchtet das Stück dagegen von unten. So lässt sich die Pigmentzusammensetzung von Stempeln und Auf- und Überdrucken analysieren. Stimmt die Körnigkeit? Sind eigentlich reine Farben mit andersfarbigen Pigmenten durchsetzt? Passt bei Buntfarben die Verteilung der verschiedenen Farbpigmente?
Kongruenz-Überprüfung mittels Vergleichsmakroskop
Anschließend erfolgt beispielsweise mittels Vergleichsmakroskop eine Überprüfung der optischen Kongruenz des Stempels oder des Auf- oder Überdrucks mit einem Original-Stück. Dabei lassen sich sowohl Schnittbilder als auch Überlagerungen darstellen. Die beiden Bilder werden in komplementären Farben dargestellt (Rot/Grün), so dass Abweichungen gut erkennbar sind. Im Gegensatz zu regulären Bildbearbeitungsprogrammen ist das Vergleichsmakroskop ein gerichtlich anerkanntes Verfahren.
VSC 8000 – der Höhepunkt in Sachen forensischer Dokumentenprüfung
Gleiches gilt für den „Video Spectral Comparator“, der allerdings noch aussagekräftiger ist. Die Rede ist von dem VSC 8000 des Briefmarken-Auktionshauses Heinrich Köhler, den die Philatelic Experts exklusiv nutzen. Das hochmoderne System verbindet ausgeklügelte digitale Bilderfassung und Multiwellenlängen-LED-Technologie für die Untersuchung von historischen Dokumenten der Kommunikation. Der VSC 8000 wird von forensischen Prüfern, Regierungsstellen und Einwanderungsbehörden weltweit verwendet und ist beispielsweise bei Landeskriminalämtern im Einsatz.
Die multispektralen Lichtquellen des VSC 8000 von UV über das sichtbare Spektrum bis hin zu Infrarot machen auch Details wahrnehmbar, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Das ist aber noch lange nicht alles. Der Video-Spektral-Komparator legt außerdem auch eine Referenzdatei an, die es ermöglicht, Stücke gleicher Art durch visuelles Übereinanderlegen passgenau zu vergleichen. Eine weitere aussagekräftige Untersuchungsmöglichkeit des VSC 8000 ist die 3-D-Analyse. Die 3-D-Software nutzt das photometrische Stereo-Verfahren und umfasst die Erfassung von Bildern, die mithilfe von drei verschiedenen Beleuchtungswinkeln erstellt werden. Aus der Analyse der drei Bilder werden anschließend topografische Details der Oberfläche aufgedeckt. Dabei wird in einem 3-D-Modellbild eine Art Höhenkarte der Briefmarke angezeigt. So lassen sich beispielsweise Prägungen auf Postwertzeichen im Detail mit Originalen vergleichen.
Der ProvenienzFinder – eine bahnbrechende Innovation in der Philatelie
Die klassische Karteiregistratur auf Papier hat eine sehr lange und erfolgreiche Tradition in Sachen philatelistischer Prüfungen. Die digitale Transformation brachte aber Anfang des Jahres 2023 eine bahnbrechende Innovation in der Philatelie hervor. Gemeint ist ProFi, der „ProvenienzFinder“ für die philatelistische Expertise in Sekunden – per Suchabfrage ermittelt in einem neuen digitalen philatelistischen Archiv.
Entwickelt wurde die Weltneuheit vom Auktionshaus Heinrich Köhler unter Federführung ihres Geschäftsführers Tobias Huylmans. Entsprechend haben die Philatelic Experts uneingeschränkten Zugriff darauf. Für den ProFi wurden und werden weltweit verfügbare Daten über philatelistische Einzellose aus unterschiedlichen Quellen gesammelt und zusammengeführt – beispielsweise die Informationen aus zahlreichen internationalen Auktionskatalogen. So entstand die einzigartige webbasierte Datenbank. Eine künstliche Intelligenz macht den ProFi zu einem lernenden System, das mit jedem neuen Eintrag weitere Verknüpfungen herstellen kann. Mittlerweile sind mehr als 2 Millionen Einträge digitalisiert, darunter zum Beispiel auch die über 100.000 Karteikarten der Köhler-Karteiregistratur der Altdeutschen Staaten. Bei jeder Abfrage greifen die Philatelic Experts auf die akribisch gesammelten Abbildungen, Beschreibungen, Ausrufpreise und Zuschläge sowie die gesamte Auktionshistorie von Briefmarken und Briefen aus aller Welt zu. So lassen sich in Sekundenschnelle die Provenienzen und Stammbäume hochwertiger Postwertzeichen feststellen.
Die Seltenheit eines Stückes wird über die Anzahl vergleichbarer Marken, Einheiten oder Briefe mit gleicher Frankatur, mit Stempel vom gleichen Ort oder an eine Destination ermittelt. Vor allem aber sind potenzielle Veränderungen der Marke oder des Briefes, wie zum Beispiel Restaurierungen, durch die verschiedenen Abbildungen und Beschreibungen in über 100 Jahren philatelistischer Literatur valide feststellbar.